Akadier in New Brunswick: einst und jetzt

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Harlekin beim Tintamarre in Caraquet

Unterwegs auf den Spuren der Akadier in New Brunswick


Kennt Ihr das? Ihr bereist ein Land, und lernt unterwegs interessante Aspekte kennen, über die Ihr gerne mehr wissen wollt? So erging es uns bei unseren bisherigen Reisen durch Atlantikkanada. Eines der Themen, das uns seither beschäftigt, ist die Geschichte der Akadier, die 1755 während der „Großen Deportation“ von den Engländern vertrieben wurden. Was geschah mit ihnen, welche Schicksale erlebten sie, und vor allem, gibt es sie noch in den Provinzen Nova Scotia, New Brunswick und Prince Edward Island? Das waren Fragen, die uns seither nicht in Ruhe ließen. Grund genug, einen Teil unserer diesjährigen Reise durch New Brunswick diesem Thema zu widmen. Dabei stießen wir auf erstaunlich viele Orte, an denen sowohl das akadische Erbe, als auch die akadische Kultur noch sehr lebendig und präsent sind. Diese stellen wir Euch an dieser Stelle vor:

 

Fort Beauséjour in New Brunswick
Fort Beauséjour in New Brunswick

 

Fort Beauséjour

Das Fort liegt nur etwa fünf Minuten mit dem Auto entfernt von der Grenze zwischen Nova Scotia und New Brunswick unweit des Highways 2 (TransCanada Highway). Ein Abstecher dorthin lohnt sich nicht nur wegen des historischen Hintergrunds, sondern auch wegen der schönen Aussicht auf die Bay of Fundy, die man von dem Hügel hat, auf dem das Fort steht. Unser Begleiter Darrell erklärt uns, dass das Fort 1751 an dieser Stelle errichtet wurde. Der Isthmus von Chignecto, die schmale Landbrücke, die Nova Scotia und New Brunswick verbindet, war eine wichtige Verbindung zwischen der Bay of Fundy und der Atlantikküste, die bereits die Indianer und später die französischen Kolonisten nutzten. „Die Briten nahmen es wenige Jahre später – im Juni 1755 – ein nach nur zweiwöchiger Belagerung. Das französische Mutterland sandte keine Unterstützung, und so konnte die kleine Garnison nicht gehalten werden.“ Von den Kanonenstellungen vor dem Fort können wir über den kleinen Grenzfluss mit dem unaussprechlichen Namen Missaquash blicken, der die beiden Provinzen voneinander trennt. „Über diese Hügel kamen die Engländer“, sagt Darrell und weist nach Süden.

Weitere Informationen zum Fort Beauséjour findet Ihr hier.

Den Besuch des Besucherzentrums schenken wir uns, wollen wir doch noch ein weiteres Museum besuchen, das sich mit der Geschichte der Akadier befasst, und nur wenige Kilometer entfernt liegt:

Monument Lefebvre in Memramcook

Nur dreißig Kilometer weiter nördlich befindet sich der Ort Memramcook, der auch als „Wiege der Akadier“ bekannt ist, kamen an dieser Stelle doch 1700 die ersten von ihnen in Kanada an. Die Einwohner des kleinen Ortes sollten 1755, wie andere akadische Gemeinden auch, aus ihrer Heimat vertrieben werden. Die Bewohner von Memramcook versteckten sich jedoch auf Anraten ihres Missionars in den Wäldern. Mit Unterstützung der lokalen Micmac Indianer gelang es ihnen, wenn auch mit schweren Verlusten, die Engländer von hier zu vertreiben, und 200 Familien entgingen der Deportation.

 

Die Vertreibung der Akadier
Die Vertreibung der Akadier

 

So blickt der Ort auf eine ununterbrochene akadische Geschichte zurück und wurde zum Ausgangsort der akadischen Renaissance, die 1864 mit der Eröffnung des College St. Joseph begann, einem der Gründungs-Colleges der Universität Moncton. Es ermöglichte zum ersten Mal französischsprachigen Unterricht an einer höheren Bildungseinrichtung in Atlantikkanada. 1881 fand an dieser Stelle die erste Akadische Nationalversammlung statt. 1966 verschmolz das College mit der Universität Moncton. Seither ist das Gebäude ein Museum, in dem sowohl die Geschichte der Deportation als auch – und das ist das Interessante daran – die Entwicklung des modernen akadischen Selbstverständnisses und Selbstbewusstseins seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gezeigt wird.

 

Flagge Akadiens
Flagge Akadiens

 

Wir erfahren von Camille Lefebvres College-Gründung, aber auch von Louis J. Robichaud, dem ersten akadischen Premierminister von New Brunswick, der sich zusammen mit seinem englischen Nachfolger Richard Bennett Hatfield stark für die Integration der Akadier einsetzte. New Brunswick erlebte damit so etwas wie eine von oben inszenierte Revolution der Akadier, denn durch das Chancengleichheitsgesetz, das Robichaud in Kraft setzte, fielen Bildung, Gesundheitswesen, Wohlfahrt und Justiz unter staatliche Kontrolle und ermöglichten so den Akadiern denselben Zugang zu diesen Diensten wie sie die englischsprachige Einwohnerschaft New Brunswick hatte.

Monument Lefebvre
480, rue Centrale,
Memramcook,
N.-B.E4K 3S6

Le Pays de la Sagouine in Bouctouche

Am nächsten Tag besuchten wir Le Pays de la Sagouine in Bouctouche, eine akadische Erfahrung sondersgleichen. Und das meine ich wörtlich. Es ist schwierig zu beschreiben, worum es sich bei dieser Einrichtung handelt – es ist kein Museum, sondern vielmehr ein Erlebnis, das auf dem Gelände angeboten wird. Ein Erlebnis, das dem Besucher die akadische Lebensart und die Seele dieser Volksgruppe so nahe bringt, wie das möglich ist. Im Besucherzentrum werden wir von „Dorine“ empfangen, einer der Schauspielerinnen, die eine bestimmte Person darstellen. Le Pays de la Sagouine basiert auf einem Theaterstück von Antonine Maillet, das die Geschichte der Wäscherin Sagouine erzählt. Dieses Theaterstück wird auf dem Gelände aufgeführt.

 

Dorine im Pays de la Sagouine in Bouctouche
Dorine im Pays de la Sagouine in Bouctouche

 

Le Pays de la Sagouine ist aber noch viel mehr: auf einer Insel in der Bucht von Bouctouche hat man verschiedene Häuser aufgebaut, in denen das Leben der Akadier von einst dargestellt wird. Besucher können dort an Kitchen Parties teilnehmen, lernen, wie man mit Löffeln den Takt zu den akadischen Tänzen klopft, akadischen Musikgruppen lauschen, und Geschichten von der See hören im Chiac, dem Dialekt der Akadier aus der Grenzregion zwischen englisch- und französischsprachigem Teil New Brunswicks, bei dem man oft mehr Englisch können muss als Französisch.

 

Im Pays de la Sagouine
Im Pays de la Sagouine

 

Im Ordre du Bon Temps Restaurant machen wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit den einfachen Gerichten der akadischen Küche. Kartoffeln, gesalzener Kabeljau und Ahornsirup spielen dabei eine große Rolle. Vielleicht nicht jedermanns Sache, aber probiert haben sollte man es schon einmal.

Le Pays de la Sagouine
57, rue Acadie,
Bouctouche, (N.-B.)
E4S 2T7 Canada

Le Village Historique Acadien in Caraquet

Unser nächstes Ziel auf unserer Reise auf den Spuren der Akadier ist das Village Historique Acadien in Caraquet. In diesem Museumsdorf folgen wir der Geschichte der Akadier in New Brunswick ab 1770, also ab der Zeit nach der Deportation. Dafür hat man akadische Häuser aus allen Regionen New Brunswicks an dieser Stelle in einem Umfeld wieder aufgebaut, wie es ausgesehen hat, als darin noch seine ursprüngliche Bewohner lebten. Wir schauen den „Einwohnern“ beim Spinnen und Weben zu, fragen die Ladenbesitzerin nach den aktuellen Preisen und welche Waren sie im Angebot hat und lassen uns vom Dorfwirt darüber aufklären, dass der Schnaps in einem anderen Raum verkauft werden muss als dort, wo er getrunken wird. Wir begegnen Holzfällern, die das geschlagene Holz in der Pferdekutsche an einem der Bauernhäuser anliefern, wo es im offenen Kamin für Wärme sorgt an dem regnerischen Tag, an dem wir das Dorf besuchen.

 

Spinnerin im Village Historique Acadien in Caraquet
Spinnerin im Village Historique Acadien in Caraquet

 

In der Dorfkneipe gibt’s akadische Gerichte zur Auswahl: Bohneneintopf, Kartoffelsuppe, Zuckerkuchen oder Biscuits. Zum Trinken gibt’s Cranberry Saft, Wasser oder Tee. Magere Kost, von der sich die Akadier lange Zeit ernähren mussten.

Erst im 20. Jahrhundert entdecken wir plötzlich Nähmaschinen, einen gußeisernen Ofen, Teppiche und anderen modernen „Schnickschnack“, der den Akadiern das Leben erleichterte. Neben dem Hotel an der Hauptstraße (in dem man übrigens auch übernachten kann), steht eine alte Tankstelle, und in den Scheunen der Häuser stehen keine Kutschen mehr, sondern Autos. Damit zog also auch in den akadischen Haushalten die Moderne ein, wenn auch immer etwas später als bei den englischsprachigen Nachbarn.

 

Pferdekutsche
Pferdekutsche

 

Ein Spaziergang durch das historische Dorf der Akadier verdeutlicht uns, wie genügsam diese Menschen waren und wie stolz sie auf ihre Kultur und Lebensart sind, für die sie zahlreiche Entbehrungen auf sich genommen haben.

Village Historique Acadien
5,Du Pont Street
Bertrand (N.-B.)
E1W 0E1 Canada

Drei Akadier beim Tintamarre
Drei Akadier beim Tintamarre

Tintamarre in Caraquet

Am lebendigsten ist das heutige Akadien beim Tintamarre. Dabei handelt es sich um einen Brauch, der sich im 20. Jahrhundert in den akadischen Gemeinden eingebürgert hat. Zum ersten Mal rief der Erzbischof von Moncton, Norbert Robichaud, im Jahr 1955 die Akadier zu einem Tintamarre auf zum 200. Jahrestag der Vertreibung. Ein Tintamarre ist ein Fest, das mit viel Lärm und Glockengeläut zum Beispiel bei Bauernhochzeiten in Frankreich veranstaltet wurde. 1979 wurde das zweite Tintamarre aus Anlass des 375. Jahrestags der Gründung Akadiens in Caraquet veranstaltet. Und inzwischen ist es zu einem festen Bestandteil des Nationalfeiertags der Akadier geworden. Es gehört wie die akadische Flagge und die Hymne Ave Maria Stella zu den Symbolen akadischer Kultur.

 

Harlekin beim Tintamarre in Caraquet
Harlekin beim Tintamarre in Caraquet

 

Wir stehen um 18.00 Uhr zusammen mit Tausenden in den akadischen Nationalfarben gekleideten und bemalten Menschen auf der Hauptstraße von Caraquet und warten darauf, dass die Glocken der Kirche zu läuten beginnen. Das ist das Startzeichen für ein Lärmspektakel, das seinesgleichen sucht. Punkt sechs Uhr abends bricht die Hölle los in der Hauptstraße von Caraquet: Leute, die bis dahin noch ruhig, wenn auch kostümiert die Straße entlang gegangen sind, fangen plötzlich an zu kreischen, mit Löffeln auf Kochtöpfe zu schlagen, Rasseln herumzuwirbeln, auf Trommeln einzuschlagen, Fahrradklingeln zum Schellen zu bringen und vielerlei anderes zum Klingen, Hupen oder Klappern zu bringen. Jeder lacht uns – trotz des strömenden Regens – an, besonders schön Maskierte posieren für uns, ohne dass das vom Himmel fallende Wasser sie stört. Sie feiern, die Akadier: ihre Identität, ihre Kultur und ihre Lebensart. Und was stört da schon so ein bißchen Wolkenbruch? Haben sie doch Hunderte von Jahren Diskriminierung nach der Vertreibung überstanden und sind heute noch – oder wieder – eine Gruppe, mit der man rechnen muss in New Brunswick!

 

Zwei Damen in den Farben Akadiens
Zwei Damen in den Farben Akadiens

 

Das Fest Tintamarre in Caraquet fand am 12. August 2014 statt und ist Teil eines zweiwöchigen Fests zum Nationalfeiertag der Akadier. Das Grand Tintamarre findet jedes Jahr an einem anderen Ort statt.

Es gibt sicher noch weitere Sehenswürdigkeiten, Attraktionen oder Erlebnisse, bei denen man die Akadier in New Brunswick in ihrem Element erleben kann. Wir haben diese kennengelernt und kehren mit dem Gefühl zurück, mehr über diese Volksgruppe und ihre Lebensweise gelernt und erfahren zu haben. Vielleicht macht es Euch ja genauso Spaß, New Brunswick auf den Spuren der Akadier kennenzulernen?


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Quelle: eigene Recherchen vor Ort mit freundlicher Unterstützung durch Tourism New Brunswick

Text: © Copyright  Monika Fuchs, TravelWorldOnline
Fotos © Copyright MonikaFuchs, TravelWorldOnline

Akadier in New Brunswick: einst und jetzt

Monika Fuchs

Monika Fuchs und Petar Fuchs sind die Verfasser und Herausgeber des Slow Travel und Genuss Reiseblogs TravelWorldOnline Traveller. Sie veröffentlichen dieses Blog seit 2005. TravelWorldOnline ist online seit 2001. Ihre Themen sind Genuss Reisen und Weintourismus in aller Welt und Slow Travel. Monika Fuchs verbrachte während ihres Studiums einige Zeit in Nordamerika, wo sie – zum Teil gemeinsam mit Petar Fuchs – die USA und Kanada bereiste und ein Forschungsjahr in British Columbia verbrachte. Das verstärkte ihren Wissensdurst, den sie 6 Jahre lang als Abenteuer-Guide für Rotel Tours und danach 11 Jahre lang als Studienreiseleiterin für Studiosus Reisen in aller Welt zu stillen versuchte. Sie erweiterte ständig ihre Reiseregionen, aber trotzdem nagte die Neugier an ihr: „Was befindet sich hinter dem Horizont? Was gibt's in dieser Stadt noch zu entdecken? Welche Menschen sind hier interessant? Was isst man in dieser Region?“ Auf diese Fragen sucht sie nun als freie Reisejournalistin (ihre Artikel erschienen u. a. in DIE ZEIT, 360° Kanada, 360° USA, etc.), Reiseautorin und Reisebloggerin Antworten in vielen Ländern der Welt. Petar Fuchs produziert die Videos auf diesem Blog sowie auf YouTube. Monika Fuchs von TravelWorldOnline ist unter Deutschlands Top 50 Bloggerinnen 2021 Weitere Informationen über Monika und Petar Fuchs. Empfehlungen auf LinkedIn von Touristikern Weitere Empfehlungen von Kooperationspartnern und Touristikern Berufserfahrung Monika